Test

Aiways U5 - Chinesisches E-SUV im Test

Der Aiways U5 ist das erste rein elektrische Fahrzeug aus China, das in der Schweiz offiziell angeboten wird. Günstig ist es nicht. Wir wollen herausfinden, ob es seinen Preis dennoch wert ist. Wir waren überrascht und haben beim Test einige Stärken entdeckt.

Veröffentlicht am 18.12.2022

Noch ist man ein Exot, wenn man mit einem Aiways unterwegs ist. Ein einziges Mal sind wir in der Schweiz einem anderen U5 begegnet. Aber wir wurden schon beachtet und auch oft gefragt, was das denn ist, man (er)kenne die Marke nicht. Und wenn man dann erzählt, reiner Stromer aus China, dann interessieren sich die einen noch mehr – und andere blocken komplett ab. Das mit der Akzeptanz für chinesische Fahrzeuge dürfte in der Schweiz noch ein bisschen dauern. Aber es haben ja auch andere E-Fahrzeuge nicht nur Freunde.

Wie im richtigen Leben

Wir hatten aber Freude am Aiways U5. Haben doch reichlich Kilometer mit ihm gemacht – unter anderem auch mit einem Dachzelt und einem Veloträger hintendran. Man sieht sie auf vielen und immer mehr Fahrzeugen, diese Dachzeltboxen. Auch wenn uns die Bemerkung beim Laden, «braucht der so lange, dass ihr hier übernachten müsst», irgendwann auf den Wecker ging. Was wir jetzt aber auch wissen: Man muss mit 20 bis 25 Prozent Mehrverbrauch rechnen, wenn man solche Accessoires auf dem Dach und am Heck montiert hat. Die Reichweite sinkt schnell – dramatisch.

Wobei: Die Angabe einer maximalen Reichweite ist bei einem E-Automobil unerheblich. Nur die wenigsten Benutzer beginnen bei 100 Prozent SoC (State of Charge). Und auf null runterfahren geht gar nicht. Viel wichtiger wäre eine Angabe, wie weit man tatsächlich mit 70 Prozent der Batteriekapazität kommt – und wie lange man am Schnelllader tatsächlich braucht, um diese 70 Prozent wieder aufzuladen. Und das bitte im «richtigen Leben», die Hersteller kennen ja die Ladekurven ihrer E-Fahrzeuge. (Der Aiways U6 ist der sportlichere Bruder des U5.)

Ladeleistung Verbessert

Wir wollen das mal vorrechnen. Aiways gibt an, der U5 mit seiner 63-kWh-Batterie könne in 35 Minuten von 20 auf 80 Prozent SoC (State of Charge) geladen werden, dies bei einer maximalen Ladegeschwindigkeit von 90 kW. Da sind die Chinesen ehrlich in ihrer Darstellung. Sie berechnen das «Betanken» nicht einfach durchgehend mit dem höchstmöglichen Tempo, sondern wissen selbst, dass es bei etwa 40 Prozent zu einem ersten Knick kommt, dass ab 60 Prozent SoC dann immer weniger los ist. Wir haben das ein paar Mal probiert und sind für diese 20 auf 80 Prozent nie unter 45 Minuten gekommen.


So sieht die Ladekurve des U5 aus. Und Aiways schönt in seinen Angaben nichts.

Und für unsere gewünschte Angabe von 10 auf 80 Prozent waren es immer mehr als 50 Minuten. Tönt nicht nach viel mehr, diese zehn Minuten. Doch einen Benziner hat man halt in diesen zehn Minuten getankt – und dem Piloten auch noch einen Espresso spendiert. Gut ist, dass Aiways seit einigen Monaten eine alte Ladeschwäche behoben hat. Mit Wechselstrom, also zum Beispiel an der heimischen Wallbox, muss der U5 jetzt nicht mehr mit 6,6 kW auskommen, sondern kann auch 11 kW, was heute einfach Standard sein muss.

Gutes Ladeverhalten

Wie schon bei unseren ersten Versuchen mit einem Aiways U5 im vergangenen Jahr – da war er ganz sicher noch der einzige in der Schweiz – können wir uns über den Verbrauch nicht besonders lobend äussern. Auf den von Aiways versprochenen Wert von 17 kWh/100 Kilometer kamen wir eigentlich nie – ausser auf der Normrunde, wo wir ihn sogar unterboten –, mit Dachzelt aber über 30 kWh/100 Kilometer.

Doch dafür kann das Auto per se ja nichts. Dann kann man sich die Reichweite ja selbst ausrechnen. Im Extremfall sind das noch etwas über 200, im besten Fall sind es knapp 300 Kilometer. Doch wie oben schon erwähnt, am meisten Sinn macht das Laden von 10 auf 80 Prozent SoC, womit wir dann wieder bei 200 Kilometern sind. Auf der Langstrecke bedeutet das: zwei Stunden Fahren, knapp eine Stunde laden.

Vergleichsweise geringe Ladeverluste

Aber es fahren ja nicht alle dauernd lang und weit. Für den Durchschnittsverbraucher reichen die 200 Kilometer gut für eine Woche. Und wenn man viel durch die (Vor-) Stadt schleicht, geht der Verbrauch dank guter Rekuperation etwas runter. Wie viel, das können wir nicht messen, im Stau stehen gehört nicht zu unserer Testprozedur. Hingegen können wir die Ladeverluste des Aiways am Wechselstrom, also daheim, ganz genau beziffern: 12 Prozent. Ja, das ist viel – aber im Vergleich zu einigen Konkurrenten erfreulich wenig.

Fahrwerk von Prodrive

Es ist jetzt nicht so, dass der Aiways uns in ganz neue Sphären eines Fahrerlebnisses gehoben hätte. Mit seinen 150 kW/204 PS spielt der U5 in der genau gleichen Liga wie ein VW ID.3 und andere Konkurrenten. Das tönt nicht nach einem Überschwang an Kraft, ist es auch nicht, aber es reicht locker, es geht gut und mehr als ausreichend.

Das Fahrverhalten ist definitiv auf der komfortablen Seite, die Seitenneigung manchmal vielleicht etwas gar stark, obwohl das Fahrwerk nach Angaben von Aiways von den Rallyespezialisten von Prodrive entwickelt worden sein soll. Doch das dürfte die potenziellen Kunden nicht abschrecken. Sie werden kaum versuchen, je Rundenrekorde zu brechen. Auch wenn die Lenkung etwas schwammig ist und die Bremse zu wenig genau definiert – wir sind schon E-Autos gefahren, die konnten das definitiv weniger gut.

Seinen Preis wert

Auch wenn die Form des U5 nicht sonderlich innovativ anmutet, genau unter diesem Blech verbirgt sich die grösste Überraschung des chinesischen Produkts. Das Raumangebot des Chinesen ist wirklich grosszügig. Hinten sitzen die Passagiere mit mehr Raum als in einer S-Klasse. Diese hintere Sitzbank verfügt zwar über eine gewisse Härte und eine ziemlich steile Rückenlehne, doch werden sie abgeklappt, dann werden aus den guten 432 Litern Kofferraumvolumen stolze 1675 Liter. Tesla kann das vielleicht noch ein bisschen besser, sonst eigentlich niemand in diesem Segment. Auch solche Dinge machen den chinesischen Stromer nicht nur in seinem Segment den Preis wert.

Fazit

Natürlich ist nicht alles perfekt. Aber das kann es eh nie sein. Doch der Aiways U5 ist ein sehr praktisches, seinen Preis auch wertes E-Fahrzeug, das sich selbst technisch nicht zu verstecken braucht.chinesischen Stromer nicht nur in seinem Segment den Preis wert.

Technische Daten

Basispreis Aiways U5 Xcite:
39 900 Franken

Preis Testwagen Aiways U5 Prime:
44 900 Franken

Motor und Antrieb:
Permanenterregter Elektro-Synchronmotor, 150 kW/204 PS, max. Drehmoment 310 Nm, Eingang-Getriebe, Frontantrieb, Li-Ionen-Akku 63 kWh, Spannung 400 V, Ladeleistung AC 11 kW, DC 90 kW (max.)

Fahrleistungen (Werk):
Beschleunigung 0–100 km/h: 7,8 s
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h (limitiert)

Fahrwerk:
Vorne MacPherson-Einzelradaufhängung, Einzelradaufhängung, hinten Multilink-Einzelradaufhängung, elektrische Servolenkung mit variabler Unterstützung, Scheibenbremsen (vorne innenbelüftet), ABS, ESC; Bereifung 235/50 R19

Masse und Gewichte:
Länge/Breite/Höhe: 4680/1865/1700 mm
Radstand: 2800 mm
Leergewicht: 1770 kg
Kofferraumvolumen: 432 bis 1672 Liter
Anhängelast: 1500/750 kg (gebremst/ungebremst)
Dachlast: 75 kg

Verbrauch:
Test: 22,6 kWh/100 km
Werk: 17,0 kWh/100 km
ai-Runde: 15,2 kWh/100 km
Min./Max.: 15,2/31 kWh/100 km
CO2/Effizienzkategorie: 0 g/km/A

Maximale Reichweite:
Werk/Test: 400/280 km

Ladezeiten (20–80 %):
Werk: Wallbox 11 kW/Ladesäule (max. 90 kW) 6:00/35 min
Test: Wallbox 11 kW/Ladesäule (max. 90 kW) 6:30/45 min

Akkukapazität/Ladeverluste:
Bruttokapazität: 63 kWh
Nettokapazität: 60 kWh
Ladeverlust: 12 %

Innenraumgeräusche:
Bei 50 km/h: 53,9 dB(A)
Bei 80 km/h: 57,4 dB(A)
Bei 120 km/h: 63,5 dB(A)

auto-illustrierte, Temperatur zwischen -20 und 30 Grad, km-Stand zwischen 3000 und 6000 km
Reifen: Cooper Discoverer, Dimension: 235/50 R19, Reifenlabel: Geräusch 70 dB, Rollwiderstand C, Nasshaftung B

Text: Peter Ruch
Bilder: Vesa Eskola

<< Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren: