Robin Road

Radar, Blitzer und Konsorten

Franz wurde geblitzt, teilte ihm ein Schreiben der Polizei mit. Auf der Übertretungsanzeige wurde er gebeten, anzugeben, wer gefahren sei. Dies stimmte Franz misstrauisch: Weshalb wollte die Polizei die Angabe über die Lenkerschaft von ihm wissen, wenn er bereits im Fokus der Justiz stand?

Veröffentlicht am 27.04.2021

Offensichtlich war sich die Polizei doch nicht so sicher, ob Franz der Lenker war. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es sich um ein Firmenfahrzeug handelt oder wenn auf dem Radarfoto niemand zu erkennen ist oder jemand, die/der nicht gefahren sein kann, etwa wenn der Halter ein Mann und die Lenkerin eine Frau ist.

Nur, das Radarfoto bekommt man nicht schon mit dem eingangs erwähnten Formular zugestellt, sondern erst, wenn es zu einer Befragung bei der Polizei kommt. Und zu einem solch selten schmeichelhaften Interview wird man wiederum nur vorgeladen, wenn sich keine Lenkerin und kein Lenker zu erkennen gibt. Kurzum, das Radarfoto bekommt man nur zu Gesicht, wenn man die Lenkerschaft nicht angibt. Doch dann beginnt die polizeiliche Untersuchung mit der Befragung des Halters gemäss Fahrzeugausweis. Auf das Foto zu warten und sich bis dahin in Geduld zu üben, kann sich somit durchaus lohnen. Trotz moderner Technik sind Fotos — öfters als man denkt — unscharf oder die Frontscheibe spiegelt derart, dass man kaum erkennen kann, ob hinter dem Steuer eine Frau oder ein Mann sitzt.

 

Unbeantwortet lassen

Es braucht aber bereits einen kühlen Zylinderkopf, der Aufforderung der Polizei über die Lenkerangaben nicht Folge zu leisten, das Formular unbeantwortet und es auf eine Befragung ankommen zu lassen. Dies ist allerdings rechtlich zulässig. Denn bekanntlich muss man sich nicht selbst belasten und auch nicht Nahestehende wie Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern oder auch Konkubinatspartner.

Der nächste mögliche Kolbenklemmer kommt bei der Befragung durch die Polizei: Meist wird zuerst gefragt, ob man gefahren sei und wenn nicht, wer Zugang zu den Autoschlüsseln hatte. Erst danach gibt es das Radarfoto zu sehen. Standfestigkeit ist somit zum zweiten Mal gefragt, um nicht dem vorauseilenden Gehorsam zum Opfer zu fallen.

Franz hatte nichts zu verbergen, denn er war nicht der Fahrer. Allerdings wollte er auch nicht päpstlicher als der Papst sein. Auf die Frage, wer gefahren sei, machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Wo er recht hat, da hat er recht: Es ist nicht die Aufgabe des Beschuldigten, den Fall für die Polizei zu lösen. Und auch wenn es gegen Ostern geht und die Moral einem etwas anderes gebietet: Solange man nicht jemanden begünstigt oder einer Straftat bezichtigt, also eine andere Person vorschiebt, oder sich waghalsige Lügengeschichten ausdenkt, ist auch dies rechtlich zulässig.

 

Ermessenssache der Polizei

Ob die Polizei einen schliesslich vom Abschlepphaken lässt, hängt nicht zuletzt von der Schwere der Tat ab. Bei schweren Fällen mit mehreren Monaten Ausweisentzug oder einem Strafregistereintrag wird gelegentlich konkreter nachgeforscht und werden sämtliche Personen befragt, welche gefahren sein könnten. Gerade bei Motorradfahrern kann auch eine Hausdurchsuchung stattfinden, wo nach Helm und Kombi gesucht wird, ob diese mit demjenigen auf dem Radarfoto übereinstimmen. Da es sich beim Vorwurf von Franz um eine nur mässige Geschwindigkeitsübertretung ausserorts von 21 km/h handelte, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Übrigens noch ein Wort zur Halterhaftung: Bei kleineren Verkehrssünden wie Parkbussen muss der Halter die Busse bezahlen, ausser er kann beweisen, dass er nicht der Verkehrssünder ist. Sobald der Vorwurf aber massiver wird und eine Anzeige beim Staatsanwalt droht, dann kommt die Halterhaftung nicht mehr zum Zug. Dies ist deshalb wichtig, weil auf den eingangs erwähnten Formularen hie und da mit der Halterhaftung gemahnt wird, obwohl diese aufgrund der Schwere der Tat gar nicht mehr zum Tragen kommt. Überlassen Sie daher den Papierkrieg dem Staat, ausser natürlich, Sie heissen nicht Franz, sondern Franziskus und arbeiten im Vatikan.

Robin Road wünscht Ihnen weiterhin gute Fahrt!

Text: Robin Road
Fotos: Vesa Eskola (Robin Road), Aargauer Zeitung/Sandra Ardizzone (Blitzer in Baden)

 

Robin Road hilft

Dr. Rainer Riek — alias Robin Road — schreibt in jeder ai-Ausgabe oder auf unserer Homepage
www.auto-illustrierte.ch über strassenverkehrsrechtliche Themen sowie rund ums Auto im Recht. Er ist Rechtsanwalt und Notar bei www.zp-law.ch und unter anderem spezialisiert auf Strassenverkehrsrecht. Zudem postet er seine Autoquartette auf dem Auto-Blog von www.driving.legal.

Wenn Sie ein strassenverkehrsrechtliches Problem oder Fragen dazu haben, schreiben Sie Robin Road eine E-Mail: road@auto-illustrierte.ch

Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hier meist um reale Fälle mit geänderten Namen. Jeder Fall ist verschieden und muss einzeln betrachtet werden. Daher erfolgen sämtliche Empfehlungen und Angaben ohne Gewähr.

 

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